Kasachstan: Wie Export- und Inlandsnachfrage auf dem Bio-Markt gefördert werden sollen

SEEHEIM/NUR-SULTAN. Im vergangenen Jahr gingen 90% der kasachischen Bio-Erzeugnisse in den Export und der Markt hat enormes Wachstumspotential. Die AUDITOR-Redaktion hat sich mit Herrn Arsen Kerimbekov von der Qazaqstan Organic Producers Union über die Herausforderungen des internationalen Bio-Handels unterhalten.

Welche Aufgabe hat der Verband für Bio-Produkte in Kasachstan?
Im Marketingjahr 2020/2021 besteht das Hauptziel der Qazaqstan Organic Producers Union (QOP Union) darin, die Zahl der Bio-Betriebe durch bessere Ausbildung und steigende Zusammenarbeit mit Exporteuren zu erhöhen. Wir sind dafür zuständig, die Interessen unserer Mitglieder sowohl gegenüber Regierungsorganisationen als auch im Ausland zu vertreten. Das erzielen wir durch Teilnahmen an Messen wie der Bio-Fach in Nürnberg, wo wir dieses Jahr zum ersten Mal vertreten waren. Der Aufbau von Geschäfts- und Handelsbeziehungen ist uns ebenso wichtig die Optimierung des Zertifizierungsprozesses von Bioprodukten, um den internationalen Standards gerecht zu werden.

Welche Rohstoffe werden in Kasachstan in Bio-Qualität angebaut?
Das sind gut 25 Rohstoffe, in erster Linie Getreide, Ölsaaten und Hülsenfrüchte. Im Einzelnen liegt unser Fokus derzeit auf Kulturen wie Weizen, Hartweizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Reis, Raps, Leinsaat, Leindotter, Soja, Sonnenblumen, Linsen, Hirse, Erbsen, Senfsaat. Hinzu kommen wildwachsende Kräuter wie Süßholzwurzel und ähnliches, die ebenfalls sehr gefragt sind. Eine gesonderte Präsentation sollte dem Bauernhof der Region Almaty gewidmet werden, der als einziger in Kasachstan für die Wildsammlung von Heilkräutern zertifiziert ist und dessen Hauptabnehmer in Deutschland ansässig ist.

Wie groß ist das Interesse der kasachischen Bevölkerung an Bio-Produkten?
Das Interesse ist groß, der Markt wird aber durch das Greenwashing im Einzelhandel verfälscht. Zertifizierte Bio-Produkte sind in der Regel teurer, weshalb die Verbraucher dann doch wieder zu konventionellen Produkten greifen, die nur augenscheinlich weniger umweltschädlich sind.

Wenn man bedenkt, dass heute in Kasachstan etwa 70 Produzenten auf einer Fläche von 270.000 Hektar im ökologischen Landbau tätig sind, können wir durchaus von einer positiven Trendentwicklung sprechen. Im einheimischen Markt finden sich dafür nicht genug Abnehmer, weshalb 90% der Bio-Erzeugnisse in den Export gehen.

Welche Bio-Produkte sind in Kasachstan besonders beliebt?
Die kasachischen Verbraucher haben großes Vertrauen in die Qualität der einheimischen Produkte. Besonders beliebt sind Feldprodukte, regionales Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch und Honig. Das Problem ist allerdings, dass kasachische Lebensmittel nicht zertifiziert sind und es keine Rückverfolgbarkeit gibt.

Wie viel Bio-Ware liefert Kasachstan jedes Jahr ins Ausland? Wohin geht der Trend?
Im Jahr 2019 wurden im Weltmarkt Bio-Produkte im Wert von über 100 Mrd. US-Dollar gehandelt. Hier ist Kasachstan mit einem Exportumsatz von gerade einmal 12 Mio. US-Dollar ein eher kleines Licht. Trotzdem profitieren wir von der Tatsache, dass der Umsatz im internationalen Bio-Handel stetig wächst. Im Durchschnitt sind ökologische Erzeugnisse 40% teurer als ihre konventionellen Gegenstücke. Das können sich viele Leute hier nicht leisten und die Produktion wird stattdessen in die EU, die USA und nach China verkauft. Wachsendes Interesse an einer bewussten Ernährung und nachhaltigen Lebensmitteln lassen uns positiv in die Zukunft blicken.

Welche Bio-Produkte werden hauptsächlich aus Kasachstan exportiert? Welche Länder sind die wichtigsten Abnehmer von kasachischen Bio-Rohstoffen?
Die Grundlage der Exporte Kasachstans ist seit langem unsere weltberühmte Leinsaat, die aktiv in Deutschland, der Schweiz und Italien eingekauft wird. Ebenfalls sehr beliebt im Ausland sind Bio-Linsen, die in großen Mengen von Italien und der Türkei eingekauft werden. Die Exporte werden auch durch Getreide repräsentiert, allerdings in geringeren Mengen.

Ölsaaten (Leinsamen, Sonnenblumenkerne), Hülsenfrüchte (Erbsen, Sojabohnen) und Getreide sind für die kasachischen Marktteilnehmer besonders interessant. Gemessen an den Produktionskosten können sie hier die besten Exportpreise erzielen. Deutschland ist im Bio-Bereich ein wichtiger Handelspartner für uns. Aber auch Lieferungen nach Litauen, Polen, Belgien und in die Niederlande tragen maßgeblich zum Erfolg des Sektors bei.

Wirkt sich die Corona-Krise auf den Absatz im Bio-Markt aus? Hat die Nachfrage aus dem Inland und dem Ausland nachgelassen oder ist sie seitdem sogar gestiegen?
Wir können zum Glück sagen, dass die ernsten und weitreichenden Auswirkungen der Corona-Krise in unserem Markt bisher nicht spürbar sind. Ähnlich wie in vielen anderen Bereichen können wir aber einen leichten Anstieg im Online-Handel mit Bio-Produkten feststellen. Auch allgemein gehe ich davon aus, dass wir in Zukunft wachsende Umsatzzahlen im Bio-Online-Handel sehen werden. Diese Trends beziehen sich jedoch eher auf den Außenhandel. Auf dem Inlandsmarkt werden „gesunde“ Lebensmittel zwar ebenfalls nachgefragt, allerdings sind sie nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung erschwinglich.

Welche Tendenz zeichnet sich im Bio-Bereich ab? Steigen das allgemeine Interesse und das Verständnis für ökologische Landwirtschaft?
Die weltweite ökologische Produktion ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Nach Angaben des Forschungsinstituts für biologischen Landbau ist sie seit 2016 um 15,5% gestiegen. Gleichzeitig könnte das Gesamtmarktvolumen für Bioprodukte nach Prognosen des Instituts bis Anfang 2021 auf bis zu 212 Mrd. US-Dollar steigen.

In der kasachischen Landwirtschaft gibt es aber noch viel Aufholbedarf. Wir haben gerade einmal 70 Unternehmen, die insgesamt 270.000 ha Fläche ökologisch bewirtschaften. Da ist noch viel Luft nach oben. Wir haben hier eine Fläche von rund 1 Mio. Hektar „Brachland“, die ohne Übergangszeit direkt für die ökologischen Landwirtschaft genutzt werden könnte.

Zudem sieht das neue staatliche Programm zur Entwicklung und Förderung des agro-industriellen Komplexes die stetige Unterstützung der Bio-Agrarproduktion vor. Der Schwerpunkt wird hier auf die Wertsteigerung durch den Export von veredelten Agrarrohstoffen gelegt.

Lohnt sich der Anbau von Bio-Produkten in Kasachstan?
Viele Landwirte haben sich in den letzten Jahren gefragt, ob sie die traditionelle Landwirtschaft aufgeben und auf den Anbau ökologischer Produkte umstellen sollen. Einerseits haben Bio-Produkte im letzten Jahrzehnt in den Industrieländern an Popularität gewonnen, wo die Menschen bereit sind, für das Vertrauen in das, was sie essen, mehr zu bezahlen. Und sie zahlen wirklich mehr, Bio-Produkte brachten im vergangenen Jahr mehr als 92 Mrd. US-Dollar ein, machten aber nur 7% des gesamten Agrarmarktvolumens aus. Gute Zahlen, aber es gibt eine Kehrseite der Medaille: Ein Landwirt, der an die Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkraut mit Pflanzenschutzmitteln gewöhnt ist, wäre gezwungen, diesen chemischen Schutz aufzugeben. Die ökologische Landwirtschaft ist mit hoher Dokumentationspflicht verbunden und bedarf ständiger Aktualisierung. Kann und will unser Landwirt das überhaupt leisten?

In den letzten Jahren sind Bioprodukte unglaublich populär geworden. Trotz der höheren Preise wurde der Kauf von Bio-Produkten von einer Alternative zu einer moralischen und sozialen Verpflichtung. Gegenwärtig haben viele Länder Gesetze und Standards eingeführt, die die Produktion und Kennzeichnung von Bioprodukten regeln, und es wurden spezielle internationale Organisationen geschaffen, die die Einhaltung der Regeln überwachen.

Was genau bedeutet das?
Für den kasachischen Landwirt ist der Bio-Anbau immer noch mit vielen unbekannten Variablen in der großen Welt der Landwirtschaft verknüpft. Neben den offensichtlicheren Vorteilen der Herstellung von Naturprodukten ist die ökologische Produktion aufgrund der zahlreichen Anforderungen an den Anbauprozess komplexer. Heute gibt es in Kasachstan ca. 70 Hersteller solcher Produkte. Die eigentlichen Pioniere sind die Bauern in der Region Qostanay.

Gibt es noch mehr Verbesserungspotential?
Ja, wir müssen die Inlandsnachfrage und auch die Viehzucht fördern, sonst bleiben Bio-Exporte riskant. Außerdem müssen wir die Qualität unserer Bioprodukte verbessern. Im Jahr 2016 wurde das Gesetz über den ökologischen Landbau verabschiedet. Es handelt sich jedoch um ein sehr verkürztes Dokument, das die internationalen Standards für die ökologische Produktion nicht vollständig erfüllt. Wir haben etwa drei Qualitätsstandards für Bioprodukte, aber sie basieren nicht auf den Anforderungen der Welthandelsorganisation. Es gibt zum Beispiel ein Kennzeichen für Bioprodukte, aber nicht die Qualität des Produkts selbst, sondern nur die Verpackung. Infolgedessen sind die Bauern gezwungen, Produkte in der Übereinstimmung mit der kasachischen und europäischen Gesetzgebung zu produzieren und zu exportieren. Was den Inlandsmarkt betrifft, so hängt wiederum viel von der Massennachfrage ab, die es nicht gibt. Interessant ist dabei die Wahrnehmung der Konsumenten, denn Halal-Produkte, die ebenfalls der Bio-Kategorie zuzuordnen sind, erfreuen sich bei der kasachischen Bevölkerung sehr großer Beliebtheit.

Und die QOP Union unterstützt den Bio-Sektor beim Eintritt in den internationalen Markt?
Das nationale Akkreditierungszentrum ist die zentrale Stelle bei der Entwicklung dieses Bereichs, ohne die Rolle des Landwirtschaftsministeriums und des NCE herunterzuspielen. Organische Entwicklung erfordert Verständnis, und um sie zu verstehen, braucht man Standards. Der Prozess der Harmonisierung der europäischen und kasachischen Normen erfordert viel Aufmerksamkeit und Beteiligung nicht nur von Akkreditierungsspezialisten, sondern auch von Landwirten.

Unsere Aufgabe besteht nun darin, zum Verständnis des gesamten europäischen Zertifizierungssystems beizutragen, um kasachischen Unternehmen den Eintritt in den internationalen Bio-Markt zu erleichtern.

Um die Landwirte zu unterstützen, wurde das Öko-Gesetz erlassen. Des Weiteren wurden Standards für die ökologische Produktion verabschiedet. All diese Verfahren werden den Markt für Naturprodukte in Kasachstan regulieren. Nicht zuletzt muss die Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft in Kasachstan durch steigende Inlandsnachfrage gefördert werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kerimbekov.

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